Donnerstag, 26. Dezember 2013

Gestatten, Max Jansen

Die Scheinwerfer des entgegenkommenden Autos waren falsch eingestellt, sodass die Lichter Max  Jansen blendeten. „Fahr doch mal in die Werkstatt“, rief Max dem Fahrer in Gedanken zu, als der Wagen aber auch schon vorbeifuhr und mit sichtlich überhöhter Geschwindigkeit im Dunkel verschwand.


Max fuhr weiter. Er kam gerade aus dem Büro, wo er sich mit den Akten zu seinem letzten Fall herumgeschlagen hatte. Eine echt verzwickte Geschichte war das mit der „Teuflischen Giftmörderin“, wie die Boulevard-Presse die Täterin genannt hatte.


Was kann einen Menschen dazu bringen, jemanden, den man mal geliebt hat, so sehr zu hassen, dass man ihm nicht nur den Tod wünscht, sondern diesen sogar aktiv und vorsätzlich herbeiführt?


Das Motiv und somit auch die Beweisführung blieb bei diesem Giftmord lange unklar. Alle Nachbarn  hatten gleichlautend ausgesagt, dass es keine Auffälligkeiten bei dem Paar gab, keine Streitigkeiten oder sonst etwas Bemerkenswertes. Max fand es aber bereits von Anfang an sehr auffällig, dass die beiden, namentlich das Ehepaar Rita und Dirk Florkam, keine Bekannten oder Freunde – erst recht keine Verwandten – zu haben schienen. Niemand, der über eine normale Nachbarschaftsbeziehung hinaus etwas mit ihnen zu tun hatte. Selbst im Arbeitsumfeld der beiden – sie war Kellnerin, er arbeitete bei einer Baufirma – hatten sich keine engeren Kontakte ergeben. „Nun gut“, dachte Max damals, „die beiden sind ja auch erst vor 6 Wochen hierher gezogen; kurz nachdem sie geheiratet hatten. Geheiratet hatten sie in ihrer Heimatstadt Flensburg und sind dann nach Aachen gezogen“, rekapitulierte Max weiter und versuchte sich zu erinnern, ob er in den 12 Jahren seiner bisherigen Tätigkeit als Detektiv schon mal eine ähnliche Konstellation angetroffen hatte.



Er machte sich daran, das Motiv für den Wegzug aus dem Norden herauszufinden. Engagiert hatte ihn der Hausbesitzer, bei dem das Ehepaar eine 3-Zimmer-Wohnung gemietet hatte, und der jetzt ein großes Interesse an der Klärung des Falls hatte, damit endlich auch die Spekulationen und Gerüchte rund um sein Mietshaus aufhören sollten. Im Volksmund hieß es zurzeit „Das Giftmordhaus“ … und der Vermieter erhoffte sich von der Klärung des Motivs, dass das aufhörte. Die Polizei hatte nach der Verhaftung und dem Geständnis von Rita Florkam ihre Bemühungen eingestellt --- das Motiv blieb unklar.


Max nahm den Auftrag an und glaubte relativ schnell zu einer Erklärung in der Art von „Eifersucht“ oder „Verlassenwerden“ zu kommen. Aber es gab so gar keine Anzeichen für die Untreue einer der beiden Florkams oder irgendwelche Trennungsabsichten. Kein Hinweis auf einen Flirt oder eine Affäre --- so kam er nicht weiter. Der Grund musste in Flensburg zu finden sein.


Glücklicherweise hatte der Detektiv einen guten Spesensatz ausgehandelt und machte sich auf den Weg nach Flensburg, um Hintergründe für den Mord aufzutun.


Im 4-Sterne-Hotel fehlte es an nichts und Max warf erst mal einen Blick in die Mini-Bar. Aber irgendwie war ihm jetzt nicht nach einem Drink; er wollte sich direkt an die Ermittlungen machen und endlich einen neuen Anhaltspunkt finden, um  Rita Florkams Motivation dafür zu finden, ihren Ehemann mit einem Medikamenten-Mix zu vergiften.


Der Detektiv hatte vor seiner Abreise nach Flensburg  bereits den Geburtsnamen der Frau sowie die jeweiligen Adressen von Herrn und Frau Florkam recherchiert. Er machte sich auf den Weg zu dem Haus, in dem die spätere Giftmörderin vor ihrer Heirat und dem anschließenden Wegzug ins rheinische Grenzgebiet gewohnt hatte. Ihre alte Wohnung war noch nicht wieder vermietet, aber in der Nachbarwohnung wohnte schon seit Jahren dieselbe Familie, die Auskunft über Rita Florkam geben konnte.


„Wir haben uns damals sehr gefreut, als wir hörten, dass Frau Breuner, also die spätere Frau Florkam,  heiraten wird“, begann die Nachbarin ihre Ausführungen. „Sie war ja nicht mehr ganz jung –  so Mitte 40 schätze ich. Sie hatte immer den Eindruck vermittelt, eigentlich keine Männer zu mögen. Mein Mann hat immer gesagt: ‚Die ist als Mädchen sicherlich von ihrem Freund mal sitzen gelassen worden und hat jetzt genug von den Kerlen!‘ Aber der Herr Florkam muss dann wohl was Besonderers gehabt haben. Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.“


Der nächste Weg führte Max Jansen zum Bruder des Toten. Peter Florkam gab sich zunächst wortkarg, aber Max schaffte es, ihm dann doch so einiges zu entlocken. „Mein Bruder war kein Kind von Traurigkeit – und so ganz astrein war er auch nicht. Als Jugendlicher hat er so manches krumme Ding gedreht und auch nicht vor Gewalt zurückgeschreckt. Bei einem Einbruch ist dann auch mal ein Mensch ums Leben gekommen. Dirk war durch ein Fenster im ersten Stock eingestiegen, als die Bewohnerin ihn entdeckte und bei ihrer Flucht vor dem Eindringling die Treppe herunterfiel und sich  das Genick brach.“


Peter Florkam machte eine Pause und überlegte kurz, ob er weitererzählen sollte. Dass Max allerdings keine Anstalten machte, ihn zu drängen, mehr Preis zu geben, gab ihm das Gefühl, dass er dem Detektiv ruhig mehr erzählen konnte.


„Das war für Dirk so ein Wendepunkt und er hatte sich geschworen, wenn er unentdeckt bliebe, dass er kein krummes Ding mehr drehen will. Naja, es ist wohl tatsächlich nie rausgekommen, dass er der Einbrecher war, obwohl er bei dem Bruch sein Amulett mit seinen Initialen DF verloren hatte.  Manchmal, wenn er einen über den Durst getrunken hatte und die Bedienung ein offenes Ohr hatte, dann hat er schon mal sein Herz ausgeschüttet und ein paar Andeutungen über diesen Unglücksfall gemacht – meistens aber hat er das Ganze erfolgreich verdrängt“


„Wissen Sie mehr über die Frau, die ums Leben kam?“, wollte Max wissen.


„Es stand damals was in der Zeitung über sie. Allerdings mit abgekürztem Namen. Sie hieß wohl Bernadette B., sie war verwitwet und hatte eine Tochter: Rita B., wenn ich mich recht erinnere …!“


Max bedankte sich, ging und schüttelte innerlich den Kopf über sich selbst: „Von wegen, wenn Liebe zu Hass wird; es war von Anfang an Hass.“


Max konzentrierte sich wieder auf die Autofahrt.


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Der Autor liest für Sie.

Diese Geschichte ist auch als Hörgeschichte bei Youtube verfügbar.






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