Max fuhr weiter. Er kam gerade aus dem Büro, wo er sich mit
den Akten zu seinem letzten Fall herumgeschlagen hatte. Eine echt verzwickte
Geschichte war das mit der „Teuflischen Giftmörderin“, wie die Boulevard-Presse
die Täterin genannt hatte.
Was kann einen Menschen dazu bringen, jemanden, den man mal
geliebt hat, so sehr zu hassen, dass man ihm nicht nur den Tod wünscht, sondern
diesen sogar aktiv und vorsätzlich herbeiführt?
Das Motiv und somit auch die Beweisführung blieb bei diesem
Giftmord lange unklar. Alle Nachbarn hatten gleichlautend ausgesagt, dass es keine
Auffälligkeiten bei dem Paar gab, keine Streitigkeiten oder sonst etwas
Bemerkenswertes. Max fand es aber bereits von Anfang an sehr auffällig, dass
die beiden, namentlich das Ehepaar Rita und Dirk Florkam, keine Bekannten oder
Freunde – erst recht keine Verwandten – zu haben schienen. Niemand, der über
eine normale Nachbarschaftsbeziehung hinaus etwas mit ihnen zu tun hatte.
Selbst im Arbeitsumfeld der beiden – sie war Kellnerin, er arbeitete bei einer
Baufirma – hatten sich keine engeren Kontakte ergeben. „Nun gut“, dachte Max
damals, „die beiden sind ja auch erst vor 6 Wochen hierher gezogen; kurz
nachdem sie geheiratet hatten. Geheiratet hatten sie in ihrer Heimatstadt
Flensburg und sind dann nach Aachen gezogen“, rekapitulierte Max weiter und
versuchte sich zu erinnern, ob er in den 12 Jahren seiner bisherigen Tätigkeit
als Detektiv schon mal eine ähnliche Konstellation angetroffen hatte.
Er machte sich daran, das Motiv für den Wegzug aus dem
Norden herauszufinden. Engagiert hatte ihn der Hausbesitzer, bei dem das
Ehepaar eine 3-Zimmer-Wohnung gemietet hatte, und der jetzt ein großes
Interesse an der Klärung des Falls hatte, damit endlich auch die Spekulationen
und Gerüchte rund um sein Mietshaus aufhören sollten. Im Volksmund hieß es
zurzeit „Das Giftmordhaus“ … und der Vermieter erhoffte sich von der Klärung
des Motivs, dass das aufhörte. Die Polizei hatte nach der Verhaftung und dem
Geständnis von Rita Florkam ihre Bemühungen eingestellt --- das Motiv blieb
unklar.
Max nahm den Auftrag an und glaubte relativ schnell zu einer
Erklärung in der Art von „Eifersucht“ oder „Verlassenwerden“ zu kommen. Aber es
gab so gar keine Anzeichen für die Untreue einer der beiden Florkams oder
irgendwelche Trennungsabsichten. Kein Hinweis auf einen Flirt oder eine Affäre
--- so kam er nicht weiter. Der Grund musste in Flensburg zu finden sein.
Glücklicherweise hatte der Detektiv einen guten Spesensatz
ausgehandelt und machte sich auf den Weg nach Flensburg, um Hintergründe für
den Mord aufzutun.
Im 4-Sterne-Hotel fehlte es an nichts und Max warf erst mal
einen Blick in die Mini-Bar. Aber irgendwie war ihm jetzt nicht nach einem
Drink; er wollte sich direkt an die Ermittlungen machen und endlich einen neuen
Anhaltspunkt finden, um Rita Florkams
Motivation dafür zu finden, ihren Ehemann mit einem Medikamenten-Mix zu
vergiften.
Der Detektiv hatte vor seiner Abreise nach Flensburg bereits den Geburtsnamen der Frau sowie die
jeweiligen Adressen von Herrn und Frau Florkam recherchiert. Er machte sich auf
den Weg zu dem Haus, in dem die spätere Giftmörderin vor ihrer Heirat und dem
anschließenden Wegzug ins rheinische Grenzgebiet gewohnt hatte. Ihre alte
Wohnung war noch nicht wieder vermietet, aber in der Nachbarwohnung wohnte
schon seit Jahren dieselbe Familie, die Auskunft über Rita Florkam geben
konnte.
„Wir haben uns damals sehr gefreut, als wir hörten, dass
Frau Breuner, also die spätere Frau Florkam, heiraten wird“, begann die Nachbarin ihre
Ausführungen. „Sie war ja nicht mehr ganz jung – so Mitte 40 schätze ich. Sie hatte immer den
Eindruck vermittelt, eigentlich keine Männer zu mögen. Mein Mann hat immer
gesagt: ‚Die ist als Mädchen sicherlich von ihrem Freund mal sitzen gelassen
worden und hat jetzt genug von den Kerlen!‘ Aber der Herr Florkam muss dann
wohl was Besonderers gehabt haben. Mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.“
Der nächste Weg führte Max Jansen zum Bruder des Toten.
Peter Florkam gab sich zunächst wortkarg, aber Max schaffte es, ihm dann doch
so einiges zu entlocken. „Mein Bruder war kein Kind von Traurigkeit – und so
ganz astrein war er auch nicht. Als Jugendlicher hat er so manches krumme Ding
gedreht und auch nicht vor Gewalt zurückgeschreckt. Bei einem Einbruch ist dann
auch mal ein Mensch ums Leben gekommen. Dirk war durch ein Fenster im ersten
Stock eingestiegen, als die Bewohnerin ihn entdeckte und bei ihrer Flucht vor
dem Eindringling die Treppe herunterfiel und sich das Genick brach.“
Peter Florkam machte eine Pause und überlegte kurz, ob er
weitererzählen sollte. Dass Max allerdings keine Anstalten machte, ihn zu
drängen, mehr Preis zu geben, gab ihm das Gefühl, dass er dem Detektiv ruhig
mehr erzählen konnte.
„Das war für Dirk so ein Wendepunkt und er hatte sich
geschworen, wenn er unentdeckt bliebe, dass er kein krummes Ding mehr drehen
will. Naja, es ist wohl tatsächlich nie rausgekommen, dass er der Einbrecher war,
obwohl er bei dem Bruch sein Amulett mit seinen Initialen DF verloren hatte. Manchmal, wenn er einen über den Durst
getrunken hatte und die Bedienung ein offenes Ohr hatte, dann hat er schon mal
sein Herz ausgeschüttet und ein paar Andeutungen über diesen Unglücksfall gemacht
– meistens aber hat er das Ganze erfolgreich verdrängt“
„Wissen Sie mehr über die Frau, die ums Leben kam?“, wollte
Max wissen.
„Es stand damals was in der Zeitung über sie. Allerdings mit
abgekürztem Namen. Sie hieß wohl Bernadette B., sie war verwitwet und hatte
eine Tochter: Rita B., wenn ich mich recht erinnere …!“
Max bedankte sich, ging und schüttelte innerlich den Kopf
über sich selbst: „Von wegen, wenn Liebe zu Hass wird; es war von Anfang an
Hass.“
Max konzentrierte sich wieder auf die Autofahrt.
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