„Bandenkrieg
in der Domstadt“ titelte die Boulevard-Presse. Ich fand das ziemlich
übertrieben: Erstens werden aus Gruppen von jeweils drei bis vier Leuten noch
keine Banden und zweitens ist eine Schlägerei eine schlimme Sache, aber hält
dem Vergleich mit einem Krieg dann glücklicherweise doch nicht stand. Der
Reporter mit dem Kürzel „tm“, der den Artikel geschrieben hatte, neigte sowieso
zu einer maßlosen Übertreibung. Im letzten Monat hatte er aus einem
Ladendiebstahl Szenarien des organisierten Verbrechens abgeleitet, die, wenn
sie Wahrheit wären, einem den Schlaf hätten rauben können.
Zufällig
weiß ich ein wenig mehr über diesen „Bandenkrieg“, denn ich wohne in der
Straße, die die beiden Familien Uhrvogel und Kainel schon häufiger zum Ort
ihrer Auseinandersetzungen gemacht haben. Beide Familien gehörten schon seit
Jahrzehnten zum kriminellen Milieu der Stadt und schon mein Großvater konnte
Geschichten aus seiner Jugend erzählen, bei denen ein Uhrvogel oder ein Kainel
ein krummes Ding gedreht hatte.
Ich muss so
zehn, elf Jahre alt gewesen sein, als mein Großvater bei einem Familienfest –
ich glaube es war der Geburtstag meiner Mutter – anfing, von Johannes Uhrvogel,
dem jetzigen Patriarchen der Uhrvogel-Dynastie, zu erzählen.
Mein Großvater begann: „ Johannes Uhrvogel machte eine
Lehre zum Schuster und saß in der Werkstatt, als ich auf einem Botengang, den
ich für meinen Vater erledigen sollte, bei ihm vorbeikam. ‚Hey, Frettchen‘,
rief er mir zu – er hatte für meinem Namen „Fred“ diese Ableitung gefunden, die
allerdings nur er lustig fand … ‚Hey, Frettchen, wohin auf den krummen Beinen?‘
Ich kannte Johannes schon immer, das heißt meine ganzen 14 Jahre lang, und wir
haben so manches Fußballspiel auf der Straße ausgetragen, und ich muss sagen,
er war ein zäher Gegner. ‚Muss für meinen Vater den Brief zur Post bringen‘,
antwortete ich ihm auf seine frotzelnde Frage. ...------------------------------------------------------------------------------------
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